Ballett lädt zum gemischten Doppel


Premiere für "Sommernachtstraum" und "Gaîté Parisienne" im Theater Lüneburg

Das Ballett, hier beim "Sommernachtstraum", zählt zu den Säulen des Theaters Lüneburg. Foto: t w

oc Lüneburg. Im Athener Wald geht es unruhig zu. Dort, wo sich seit anno Shakespeare die Verliebten treffen, um sich klar zu werden, wer denn nun zu wem passt, dort betreiben gerade die eigentlichen Eingeborenen, die Elfen, ein hartes Training. Sie rennen, tanzen, springen in einem fort rein in den Wald, raus und wieder rein und zeigen so auf ihre Weise, dass die Liebe ein seltsames Spiel ist. Denn: Sie kommt und geht, wie Connie Francis gelehrt hat, von einem zum andern. Shakespeares "Sommernachtstraum"-Wirren bilden die Folie für den Haupt-, aber nicht den besseren Teil im neuen Ballettabend des Theaters Lüneburg.
  Der bessere, kurzweiligere Teil ist ganz anders, heißt "Gaîté Parisienne". Beide Parts hat Lüneburgs Ballettmeisterin Ingrid Burmeister choreographiert und inszeniert. Zurück in den Wald von Athen: Dort grünt die Liebe und welkt doch schon, wie das Bühnenbild von Johanna Maria Fischer zeigt. In dem Wald spielen sich in mythischer und irgendwie doch heutiger Zeit neckische Liebesränke ab. Die handelnden Personen sind vor allem durch farbige Kostüme (Sabine Meinhardt) gekennzeichnet. Helena (Kerstin Kessel) muss außerdem - das ist das Moderne am Stück - eine Brille tragen und sich dadurch etwas linkisch aufführen.
  Eine Menge tänzerischer Aktion entfaltet Ingrid Burmeister. Gut anzuschauen ist das, alles läuft perfekt ab. Zwischen Titania (Cordula Isabel Eccarius) und Oberon (Ilya Kopytin) kommt es dabei zu einigen emotional intensiver ausgestalteten Szenen und zu einem unmotivierten Streit um einen Pagen (Lotta Horns, alternierend Catarina Weber). Für Farbe sorgt vor allem der quirlige Puck: Oleg Trutnev ist der Gewinner des Stücks neben Herbert Goldschadt als Zettel, der als Esel umherhüpft und kindgerechten Märchenspielhumor verbreitet.
  Hervorragend klappt die Abstimmung mit dem Orchester, Ingrid Burmeisters Musikauswahl aus dem Mendelssohn-Schaffen ist auf die laufenden Szenenwechsel perfekt abgestimmt. Die Lüneburger Sinfoniker bringen romantisches Gefühl stärker zum Ausdruck als das alles in allem in erster Linie routiniert wirkende Bühnengeschehen. In den Finalteilen des Sommernachtstraums zeichnen sich - ein zweites Mal - Stimmen aus dem Theater aus: Elke Tauber und Dobrinka Kojnova-Biermann sowie die Frauen aus Haus- und Extrachor. Dirigent Nezih Seckin fügt das musikalische Puzzle zu einem runden Ganzen, Markus Menke (Violine) spielt dabei eine herausragende, solistische Rolle.
  Abgerechnet wird zum Schluss. Wesentlich mehr eingefallen ist Ingrid Burmeister zum kürzeren Stück des Abends: "Gaté Parisienne", ein turbulentes Stück mit rassigen Rhythmen aus der Offenbach-Schmiede, die Manuel Rosenthal ballettös verarbeitet hat. Burmeister verlegt das Spiel in eine Art Bahnhofs- oder Hotelfoyer. Jedenfalls herrscht - das ist eine Parallele zum Athener Wald - ein permanentes Kommen und Gehen auf der Bühne. Aber hier bekommt das Geschehen Witz, erhalten Figuren kräftigere Konturen. Einfach spaßig ist das Kuddelmuddel um einen Koffer, auf den Ganoven spitzen, die wiederum von Sherlock Holmes (Goldschadt) ausgespäht werden. Ein paar witzige Parodien wirbeln durch den Saal, etwa die Kessler-, nein: die Kessel-Zwillinge (Kerstin Kessel, Heidrun Stahl). Karl Lagerfeld bzw. Wolfgang Marchetto ist auch da, figuriert ein wenig als Matre de Plaisir.
  Es wird wunderbar gewalzert, und ein knackiger Cancan verführt garantiert zum Mitklatschen. Vor allem die Oldies/Goldies der Ballett-Truppe verleihen dem Geschehen mitreißendes Temperament: Kerstin Kessel in verschiedenen Partien sowie Rosa Gehrmann als Mademoiselle Rosa, die Erotik versprüht, als würde sie gleich Flamenco tanzen. Und bei seinem wievielten Comeback auch immer ist es Thomas Pfeffer als "Brasilianer", der bis in das musikalisch sich immer mehr aufheizende Finale nach wie vor tänzerische Klasse zeigt -- auch wenn er das Springen den Kollegen, allen voran Ilya Kopytin, überlässt. Die - nicht ausverkaufte Premiere - mündet in langen Applaus. Das gemischte Ballett-Doppel wird wieder am 14., 16., 19. und 26. Februar getanzt.

(Landeszeitung vom 13.2.2006)