Kultur
Thomas Pfeffer packt wieder zu. Bei seinem erneuten Comeback ist er als "Don Quixote" zu erleben. Foto: t&w
Immer siegt die Liebe
Das Lüneburger Ballett tanzt "Don Quixote"
Von H.-M. Koch
Lüneburg. Mit dem Lüneburger Ballett ist es ein bisschen wie mit Tina Turner. Da gibt es viele Worte von Abschied - und dann sind sie doch wieder da, und beinahe möchte man sagen: je oller, desto doller. Bestes Beispiel: Thomas Pfeffer, lange die Nummer eins im Corps, dann Verletzungen - Abschied - Wiederkehr - Ausstieg. Und nun? Tanzt er wieder, wenn er auch Sprünge nur andeutet. Bei "Don Quixote" übernimmt Pfeffer die Titelpartie und wird mit der ganzen Truppe nach einem wenig aufregenden Beginn am Ende doch stürmisch gefeiert.
Rosa Gehrmann ist auch so ein Lüneburger Tanz-Phänomen. Sie kam 1990, tanzte dann fremd, kehrte zurück, verletzte sich böse. Und nun? Zeigt sie als "spanische Tänzerin" reichlich Feuer, Kraft, Dynamik. Und von Ballettchefin Ingrid Burmeister hieß es zu Saisonbeginn, sie gebe ihre "Abschiedsvorstellung". Der Abschied vom Abschied ist längst vollzogen. Ingrid Burmeister lässt auch in der kommenden Saison die Truppe tanzen und wird 2010 - vermutlich - mit Intendant Jan Aust, Chefdramaturg Kurt Achim Köweker und Verwaltungsdirektor Wolfgang Dannenfeld das Haus einem Neubeginn überlassen.
Jetzt aber geht es um Verlässlichkeit, und tiefrote Rosen prangen auf dem Vorhang. Das ist in der "Rote Rosen"-Stadt Lüneburg ein Zeichen für breitenwirksame, leichte Unterhaltung mit guter Quote, viel Liebe und etwas Drama. Das mit dem Drama schreibt Ingrid Burmeister klein, die leichte Unterhaltung um die Liebe groß, und die zur Premiere noch nicht ganz glücklich machende Quote dürfte sich steigern, zumal die Ballettzeit in eine operettenarme Saisonphase fällt.
Die musikalische "Quixote"-Grundlage legt Ludwig Minkus (1826-1917), einer der wichtigen Dienstleister in Sachen Ballett. Er schrieb schwungvolle, mit Gefühlen um sich werfende Sätze, die Tänzer nicht ruhig stehen lassen. Nezih Seckin setzt die Musik mit den Lüneburger Sinfonikern farbenreich und in guter Abstimmung mit dem Bühnengeschehen um, Geiger Markus Menke verdient sich dabei einen Extra-Applaus.
Mit überdimensionalen Büchern, die an den Mann von La Mancha erinnern, schafft Bühnenbildnerin Barbara Bloch einen attraktiven Rahmen für den Tanzplatz. Das Bild passt zu Don Quixote (Thomas Pfeffer), der mit der Nase im Buch erscheint und alles andere als einen "Ritter von der traurigen Gestalt" darstellt. Die klassischen Geschichten vom Windmühlenbekämpfer etc. erzählt Ingrid Burmeister nicht, hier ist Don Quixote mit seinem Sancho Pansa (Wolfgang Marchetto) auf der Suche nach Dulcinea, seiner idealen Frau, und platzt in eine heitere Marktszene, auf der zwei Männer um eine Frau buhlen: Kitri soll den Edelmann Gamache heiraten, liebt aber den Friseur. Daraus entspinnt sich eine lange Fülle schwungvoller Szenen, die hübsch anzusehen sind, ohne Dramatik zu entwickeln.
Ingrid Burmeister setzt mit sicherer Hand auf Folklore und klar geschnittene Typen. Prächtige Kostüme (Sabine Meinhardt) unterstützen die Szenerie, in der Oleg Trutnev mit Spaß am Witz den depperten, schwarz gekleideten Reichen tanzt, an seiner Seite stets einen Pagen (Fabian von Lindern). Matthew Sly tanzt den leidenschaftlichen Barbier. Sly, besser "Fly", begeistert mit artistischen Sprüngen und als sicherer Partner für die umworbene Kitri bzw. Yarica von der Osten, die zu ihrem tänzerischen, breit gefächerten Können auch an Ausstrahlung gewinnt.
Der erste Teil gipfelt in einer Erscheinung Don Quixotes, in der seine imaginäre Dulcinea gleich vierfach hereinschwebt: Rosa Gehrmann, Heidrun Stahl, Kerstin Kessel und Yarica von der Osten vollführen dazu einen gewaltig fordernden Spitzentanz. Nach der Pause, im kürzeren und kurzweiligeren Part, gewinnt Ingrid Burmeisters Inszenierung und Choreographie Tempo und Profil - mit einem Degenduell (Pfeffer/Trutnev) und dem großen Pas de deux, mit dem Yarica von der Osten und Matthew Sly die Klasse zeigen, die das Publikum am Ende von den Stühlen holt. Auch das wirkungsvoll eingebrachte Kinderballett sorgt wie das Extraballett für viel Farbe, was "Don Quixote"-Besuchern noch viel Freude bereiten wird.