Gutachter attackiert die Stadt


Ulrich Schwab wirft Lüneburg mangelhaften Einsatz für das Theater vor

Das Ballett, hier beim "Sommernachtstraum", zählt zu den Säulen des Theaters Lüneburg. Foto: t w

oc Hannover/Lüneburg. Ulrich Schwab ist ein vielseitig gebildeter Mann. Er studierte Betriebswirtschaft, er studierte Jura, wurde Rechtsanwalt, er studierte Theaterwissenschaften und wurde Intendant, zuletzt in Mannheim. Dort schied er 1995 aus. Zurzeit ist Schwab als Gutachter tätig. Der 64-Jährige sichtet, wie berichtet, die kommunalen Theater in Niedersachsen und gab erst in einem Hintergrundgespräch, nun in einem Interview in Hannover Erkenntnisse preis. Die betreffen auch Lüneburg.Am meisten, so erklärte Schwab, beeindrucke ihn, wie in Lüneburg mit so wenig Geld so viel Vielfalt hergestellt würde. Dann aber fährt er schweres Geschütz gegen die Stadt Lüneburg auf. Wie in besagtem Hintergrundgespräch erklärt er nun öffentlich, wie schlecht die Stadt Lüneburg ihr Theater behandele. Nur knapp 25 Prozent des Förderbetrags, den das Theater bekommt, stammen aus der Kasse der Stadt. Das habe er woanders noch nicht erlebt, so Schwab.Die Angeschossenen wehren sich. Herr Schwab müsse doch zumindest zur Kenntnis nehmen, dass Lüneburg kein Stadttheater sei, sondern ein gemeinschaftliches von Stadt und Kreis, sagt Stadtdirektor Peter Koch, Geschäftsführer der Theater Lüneburg GmbH. Gemeinsam erbringen Stadt und Kreis als Gesellschafter etwa 49 Prozent des Zuschussbedarfs, das Land trage 50,99 Prozent, sagt Wolfgang Dannenfeld, Verwaltungsleiter des Theaters.Koch hält andere Rechnungen gegen die von Schwab. Betrachte man, wie viel Geld pro Platz und Vorstellung ausgegeben werden, bekomme Lüneburg vom Land am wenigsten. Und betrachte man, wie hoch der Anteil der Theaterkosten im Verwaltungshaushalt der Stadt sei, so liege er in Lüneburg bei 0,54 Prozent, in Göttingen bei 0,46, in Celle bei 0,45. In Osnabrück und Hildesheim ist der Betrag höher.Der Theater-Geschäftsführer sieht Vergleichsrechnereien kritisch. Es müsse auch über die wirtschaftliche Leistungskraft einer Region geredet und der Einzugsbereich der Theater einbezogen werden, so Koch. Ob ein Theater in einem Ballungsraum angesiedelt ist oder ob sein Publikum aus der Fläche kommt, sei zu berücksichtigen.Schwabs äußerungen gießen öl in ein Feuer, das sich gerade zu beruhigen schien. Wie berichtet, gab es in der Frage der künftigen Theaterfinanzierung Verdruss zwischen betroffenen Städten und der Landesregierung. Dabei ging es um so genannte Zielvereinbarungen, die mit der in Aussicht gestellten Förderung für fünf Jahre verbunden werden. Wie die drei Punkte (Kooperationen, Theater für Schulen, mehr ehrenamtliches Engagement) in Vertragsform gegossen werden können, darüber haben Vertreter des Landes und aus Stadt und Landkreis mittlerweile gesprochen. Morgen, Donnerstag, kommt die Theaterreferentin aus dem Ministerium, Ministerialrätin Birgit Clamor, ins Theater Lüneburg. Da könnte es bereits um einen Vertragsentwurf gehen.Ulrich Schwab will seine Expertise dem Land im April vorlegen. Auf Fragen der Landeszeitung, die Schwab am 3. Februar - auf seinen Wunsch hin schriftlich - bekam, antwortete er bisher nicht.
  (Hans-Martin Koch in der Landeszeitung vom 1.3.2006)